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Überregionale Termine

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Foto: Gesine Born

21. 01.

Kommunikation durch Sprache

Erwartungen, Überraschungen und ästhetische Aspekte - Vortrag von Mathias Scharinger im Planetarium Nürnberg

Die menschliche Sprache ist eine faszinierende Form der Kommunikation, die für viele den Hauptunterschied zwischen Tier und Mensch ausmacht. Ein wesentliches Merkmal ist in diesem Hinblick die theoretisch unbegrenzte Kombinationsmöglichkeit von Silben, Wörtern und Sätzen, die der Sprache ein sehr hohes Maß an Komplexität verleiht. Dennoch verstehen wir unsere Muttersprache scheinbar mühelos – auch Sätze und Wortkombinationen, die wir vielleicht noch nie vorher gehört haben und die akustisch mit Umgebungsgeräuschen konkurrieren. Welche Mechanismen tragen zu diesem effektiven und auch robusten Sprachverstehen bei? Vortrag von Prof. Dr. Mathias Scharinger im Rahmen der Reihe "Vom Reiz der Sinne" in Nürnberg.

In den Neurowissenschaften hat sich ein Modell etabliert, wonach das Gehirn zu jedem Zeitpunkt die wahrscheinlichsten sensorischen Informationen »vorausberechnet«, und nur die Abweichungen von den Erwartungen genauer verarbeitet. Diese Abweichungen können als »Überraschungen« interpretiert werden, auf die der Mensch sehr schnell und sehr effizient reagiert. Das Modell von Erwartungen und Überraschungen lässt sich auch auf die Sprache anwenden, wo der kommunikative Kontext Erwartungen hervorbringt, die erfüllt oder eben auch verletzt werden können. Erfüllte Erwartungen können so zu gelingender Kommunikation beitragen, während Erwartungsverletzungen zu Missverständnissen führen können. Erwartungen lassen sich auch als zeitliche Erwartungen formulieren, die umso stärker sind, je regelmäßiger gesprochene Sprache artikuliert wird. Ästhetische Sprache – etwa in Gedichten oder Liedern – erfüllt in besonderer Weise diese Erwartungen, etwa wenn ein gereimtes Wort an einer erwartbaren Position einer Strophe erscheint.

Auch hier kann die Neurowissenschaft mögliche Erklärungen bereithalten, warum erwartbare – also regelmäßige – Sprache in Gedichten als ästhetisch empfunden wird: Die Regelmäßigkeit korreliert mit der periodischen neuronalen Aktivität des Gehirns – den Gehirnschwingungen –, wodurch das Verstehen begünstigt werden kann.

Mathias Scharinger studierte an den Universitäten Konstanz und Christchurch (Neuseeland) Sprach-, Literatur-, sowie Kunst- und Medienwissenschaften. Nach seiner Promotion an der Universität Konstanz arbeitete er an der University of Maryland (USA). Es folgte ein weiterer Abschnitt am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig. Hier untersuchte er grundlegende neuronale Mechanismen der Laut- und Tonverarbeitung. Danach bekleidete er Positionen an den Universitäten Leipzig und Köln und am Max-Planck-Institut für Empirische Ästhetik in Frankfurt. Dort widmete er sich der Sprachästhetik mit besonderem Augenmerk auf der Schnittstelle zur Musik. Im Jahre 2017 folgte er dem Ruf auf eine Phonetik-Professur an der Universität Marburg.

Homepage Mathias Scharinger
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